Die Stadt Altenberg im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge
ist mit ihren knapp 8000 Einwohnern ein eher beschauliches Plätzchen. Wer sich
hier her verirrt, sucht in dem Kurort zumeist nach Ruhe, Erholung oder im Winter
nach Schnee und Skispaß. Doch es gibt auch eine andere Seite von Altenberg. Eine
rasante, waghalsige und anspruchsvolle Seite die Menschen aus der ganzen Welt
fasziniert und ihnen Respekt einhaucht. Die Rede ist vom DKB Eiskanal, einer
der gefährlichsten Kunsteisbahnen der Welt und dem möglichen Schauplatz für die
Weltmeisterschaft im Bobfahren 2020.
Ich muss zugeben, als waschechte Erzgebirgerin bin ich
eigentlich von Wintersport gesättigt. Bob fahren stand jedoch noch nie auf
meiner Agenda und dabei ist die Bobbahn in Altenberg nur etwa 100 Kilometer von
meinem Heimatort entfernt. Im Rahmen unseres Studiums machten meine Kommilitonen
und ich uns am 20. November 2015 auf zur Deutschen Meisterschaft. Die Reise
führte uns auf besagte Kunsteisbahn nach Altenberg, die neben der Olympiabahn
im kanadischen Whistler zu den anspruchsvollsten der Welt gehören soll und die
2020 möglicherweise zum Austragungsort für die WM im Bobsport wird. Wenn man
nach Altenberg fährt, kann man sich jedoch kaum vorstellen, dass hier im
Nirgendwo, etwas fünf Kilometer von der Tschechischen Grenze ein Prachtstück
des Wintersports liegen soll. Stundenlang fährt man fast verloren durch dichte
Wälder, ohne Gegenverkehr und auf Straßen mit fast mondtiefen Kratern. Mobilfunknetz
teilweise Fehlanzeige. Unzählige kleine Orte mit einladenden Namen wie „Oberhässlich“
gefolgt von „Elend“.
Die Zufahrt zur Bahn selbst: ein enger Waldweg bei dem man
sich immer wieder fragt, ob das hier eigentlich eine Einbahnstraße ist.
Ausschilderungen, die vor allem für fremde Besucher zu wünschen übrig lassen.
Und hier soll eine Weltmeisterschaft stattfinden?
Ja, tatsächlich. Altenberg kann große Wettbewerbe. Noch im
November 2015 wurde ein wichtiger Weltcup durchgeführt, eine Woche danach der
Europacup. Feste Punkte im Terminkalender der Bahn. Die letzte Bob WM 2008
lockte mehr als 30.000 Besucher an. Bobsport zieht und fokussiert die Region.
Nachdem für die Weltmeisterschaft 2017 das russische Sotschi
den Vortritt bekommen hat und auch die Wettbewerbe 2019 nicht an Altenberg
vergeben wurden, wagen die Osterzgebirger einen neuen Anlauf und bewerben sich
als Austragungsort für das Jahr 2020. Aller guten Dinge sind drei, könnte man
meinen. Und aus sportlicher Sicht steht dem ganzen Nichts im Wege, die
Deutschen und speziell auch die Sachsen können Bob fahren, stellen dies immer
wieder unter Beweis. Was Probleme bereitet ist Marketing und Infrastruktur.
In einem Interview mit der „Freien Presse“ sagte Matthias
Benesch, Geschäftsführer der Wintersport Altenberg GmbH, dass man
entscheidenden Funktionären etwas bieten müsse, um sie für den Standort zu
gewinnen. „Wenn sie sich hier langweilen, wollen sie künftig woanders hin.“ Wie
genau diese Lösung aussehen soll ist unklar. Aktuell wird ein Imagefilm für die
Bewerbung produziert, der neben Spitzenathleten auch jüngere potentielle
Bobtalente zu Wort kommen lässt.
Meiner Meinung nach nicht der vollkommen richtige Weg. Natürlich
hat Altenberg einen grundlegend anderen Standard als Beispielsweise die Stadt Sotschi
(etwa 360.000 Einwohner). In Altenberg gibt es nur eine handvoll Hotels und
Restaurants, öffentlicher Nahverkehr ist eher gering ausgebaut, „Natur pur
erleben“ beschreibt die Stadt sich auf ihrer Homepage. All diese Faktoren
werden bei den Bewerbungen immer außer Acht gelassen. Dabei sind sie enorm
wichtig, wenn sich Sportler und Funktionäre während der zweiwöchigen
Titelkämpfe nicht langweilen sollen, um es mit Beneschs Worten zu sagen. Warum
also nicht aus der Not eine Tugend machen und den Fokus auf die Einzigartigkeit
der Bahn in solch einer Region legen. Und dabei dennoch den Nachwuchs
einbeziehen. Woran ich denke ist genau das was ich selbst erlebt habe. Eine
lange, unspektakuläre Anreise ohne großartige Erwartungen. Ernüchterung auf dem
Parkplatz, wenn man ihn den endlich gefunden hat. Und ein folgendes Erstaunen darüber,
was sich zwischen dem dichten Wald versteckt. Eine riesige, modern gestaltete Anlage mit
potential zum Vermarkten. Eine Sportart von der ich aus dem Fernsehen nie gedacht
hätte, dass sie so rasant ist. Sportler, die auf Fotos nie so muskulös und groß
erscheinen wie sie dann im Realen sind.
Und der Nachwuchs? Der BSC Sachsen Oberbärenburg zählt als
Nachwuchsschmiede in Sachen Bobsport. Sechs von neun deutschen Teams bei der
Weltmeisterschaft 2015 kamen aus diesem Verein, darunter auch die Shootingstars
Nico Walther und Francesco Friedrich. Viele Nachwuchsathleten sind in Altenberg
aufgewachsen oder für das optimale Training dorthin gezogen. Kinder werden
schon in der Grundschule, zu den ersten Trainings eingeladen und für den
Bobsport fasziniert. Die gesamte Region brennt für ihren Sport und für ihr
Alleinstellungsmerkmal.
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Das Russische Team während des Trainings in Altenberg |
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